Veröffentlicht am März 11, 2024

Entgegen der landläufigen Meinung ist statisches Dehnen vor dem Sport oft kontraproduktiv und kann das Verletzungsrisiko sogar erhöhen.

  • Statisches Dehnen vor Schnellkraftbelastungen senkt nachweislich die Maximalkraft und die neuromuskuläre Ansteuerung.
  • Die meisten Verletzungen entstehen nicht durch zu „kurze“ Muskeln, sondern durch unvorbereitete Gelenke und eine mangelhafte Ansteuerung (Propriozeption).

Empfehlung: Ersetzen Sie das klassische Dehnen vor dem Training durch gezielte Gelenkaktivierung (z.B. Controlled Articular Rotations), um den Körper wirklich auf die Belastung vorzubereiten.

Sie beenden Ihre fünf Minuten auf dem Laufband, dehnen pflichtbewusst die Oberschenkel und starten ins Training – nur um Wochen später mit einem stechenden Schmerz im Schienbein oder Rücken aufzuwachen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Die Fitnesswelt ist voll von Ratschlägen zur Verletzungsprävention, allen voran der scheinbar unumstößliche Grundsatz: Dehnen ist das A und O. Die gängige Lehre predigt dynamisches Dehnen vor und statisches Dehnen nach dem Sport als Patentrezept für einen gesunden Bewegungsapparat.

Doch was, wenn ich Ihnen als Sportorthopäde sage, dass die Ursache der meisten Verletzungen nicht in mangelnder Dehnung, sondern in einer unzureichenden Vorbereitung Ihrer Gelenke und Ihres Nervensystems liegt? Was, wenn das Dehnen zur falschen Zeit oder bei bestimmten Beschwerden Ihr Verletzungsrisiko sogar aktiv erhöht? Die Fixierung auf die reine Muskellänge ignoriert die komplexen biomechanischen Zusammenhänge von Gelenkgesundheit, neuromuskulärer Aktivierung und Schmerzwahrnehmung. Viele Sportler folgen gut gemeinten, aber veralteten Mythen und arbeiten sich so unwissentlich in eine Zwangspause.

Dieser Artikel bricht mit diesen Platitüden. Wir werden die verbreiteten Mythen rund ums Dehnen aus orthopädischer Sicht beleuchten und aufzeigen, warum eine spezifische Gelenkaktivierung dem bloßen Ziehen an Muskeln überlegen ist. Sie lernen, die Warnsignale Ihres Körpers richtig zu deuten, die wahren Ursachen hinter häufigen Sportverletzungen wie dem Schienbeinkantensyndrom oder Rückenschmerzen beim Kreuzheben zu verstehen und Ihr Training so aufzubauen, dass Sie langfristig gesund und leistungsfähig bleiben.

Um diese komplexen Themen strukturiert zu behandeln, finden Sie im Folgenden eine Übersicht der zentralen Aspekte, die wir detailliert analysieren werden. Jeder Abschnitt bietet Ihnen fundiertes Wissen und praktische Ansätze für ein intelligenteres und sichereres Training.

5 Minuten Laufband reichen nicht: Wie aktivieren Sie Gelenke spezifisch?

Das typische Warm-up vieler Sportler – ein paar Minuten lockeres Traben auf dem Laufband – erhöht zwar die Herzfrequenz und die Blutzirkulation, vernachlässigt aber einen entscheidenden Faktor für die Verletzungsprävention: die Gelenkgesundheit. Unsere Gelenke werden nicht primär über das Blut, sondern über die Synovialflüssigkeit, die sogenannte „Gelenkschmiere“, ernährt. Diese zähe Flüssigkeit reduziert die Reibung und versorgt den Gelenkknorpel mit Nährstoffen. Ihre Produktion und Verteilung wird jedoch erst durch Bewegung in den vollen Bewegungsumfängen des Gelenks optimal angeregt.

Lineare Bewegungen wie Laufen oder Radfahren bereiten die Gelenke nur unzureichend auf die multidirektionalen Belastungen vor, die im Sport auftreten. Hier kommt das Konzept der Controlled Articular Rotations (CARs) ins Spiel. Dabei handelt es sich um langsame, kontrollierte Rotationen eines Gelenks durch seinen größtmöglichen, schmerzfreien Bewegungsradius, während der Rest des Körpers stabilisiert wird. Dieser Prozess „schmiert“ das Gelenk nicht nur, sondern aktiviert auch das Nervensystem und verbessert die Propriozeption – also die Wahrnehmung des Gelenks im Raum.

Stellen Sie sich vor, Sie bereiten Ihr Hüftgelenk auf Kniebeugen vor. Anstatt nur die Oberschenkelmuskulatur zu dehnen, führen Sie eine Hüft-CAR durch: Sie „malen“ langsam den größtmöglichen Kreis mit Ihrem Knie. Das bereitet die Gelenkkapsel, die Bänder und die umliegende Muskulatur gezielt auf die komplexe Bewegung vor. Die Gelenkschmiere wird verteilt und der Gelenkknorpel so optimal ernährt.

Demonstration der kontrollierten Hüftgelenksrotation als Aufwärmübung

Diese spezifische Gelenkaktivierung ist dem generischen Laufband-Warm-up weit überlegen. Sie sendet ein klares Signal an das Gehirn, welche Gelenke gleich belastet werden und schaltet die entsprechenden stabilisierenden Muskeln „scharf“. So wird nicht nur die Leistung verbessert, sondern auch das Risiko von Kompensationsbewegungen und daraus resultierenden Verletzungen drastisch reduziert. Ein Warm-up sollte also immer eine Vorbereitung auf die spezifischen Bewegungsanforderungen der bevorstehenden Sportart sein.

Schienbeinkantensyndrom: Warum ist „Durchbeißen“ der sicherste Weg in die Zwangspause?

Das Schienbeinkantensyndrom, oder „Shin Splints“, ist der Albtraum vieler Läufer und Sportler. Es äußert sich durch einen diffusen bis stechenden Schmerz an der Innenseite des Schienbeins. Die weit verbreitete „Durchbeißer-Mentalität“ – also das Ignorieren des Schmerzes in der Hoffnung, er würde von selbst verschwinden – ist hier aus orthopädischer Sicht fatal. Dieses Vorgehen verwandelt eine behandelbare Reizung in eine chronische Entzündung, die oft zu einer monatelangen Zwangspause führt. Tatsächlich können bis zu 20% aller Trainingspausen bei Läufern auf Shin Splints zurückgeführt werden.

Um zu verstehen, warum „Durchbeißen“ so gefährlich ist, müssen wir die Ursache betrachten. Meist handelt es sich um eine Überlastungsreaktion des Musculus tibialis posterior oder des Musculus soleus, deren Sehnen am Schienbein ansetzen. Bei jedem Schritt müssen diese Muskeln die Fußpronation (das Einwärtsknicken des Fußes) kontrollieren und den Fuß stabilisieren. Eine zu schnelle Steigerung des Trainingsumfangs, unpassendes Schuhwerk, eine schwache Fuß- oder Hüftmuskulatur oder eine schlechte Lauftechnik führen zu einer permanenten Überbeanspruchung. Der Muskel und seine Sehne werden gereizt und entzünden sich.

Der anfängliche Schmerz ist ein klares Warnsignal des Körpers: Die Belastung übersteigt die aktuelle Kapazität des Gewebes. Wird dieses Signal ignoriert, reagiert der Körper mit einer stärkeren Entzündungsreaktion. Mikrorisse in der Knochenhaut (Periost) können entstehen, die im schlimmsten Fall zu einem Ermüdungsbruch des Schienbeins führen können. Das Weitertrainieren mit Schmerzen gießt also buchstäblich Öl ins Feuer. Der sicherste Weg aus dem Teufelskreis ist nicht Durchbeißen, sondern eine sofortige Belastungsreduktion und die gezielte Adressierung der Ursachen: Kräftigung der Fuß- und Hüftmuskulatur, Optimierung des Laufstils und adäquates Schuhwerk.

Kreuzheben: Welcher kleine Fehler im Rücken kostet Sie die Bandscheibe?

Kreuzheben ist eine fundamentale Übung für den Kraftaufbau, birgt aber bei falscher Ausführung ein erhebliches Verletzungsrisiko, insbesondere für die Lendenwirbelsäule. Viele Athleten glauben fälschlicherweise, ein „steifer“ unterer Rücken oder verkürzte Beinbeuger seien das Problem und versuchen, dies mit intensivem statischem Dehnen vor dem Heben zu kompensieren. Das ist ein doppelter Fehler. Erstens reduziert, wie sportwissenschaftliche Übersichten zeigen, statisches Stretching die Maximalkraft, was bei einer Maximalkraftübung wie dem Kreuzheben kontraproduktiv ist. Zweitens ist der häufigste Fehler keine Frage der Flexibilität, sondern der Propriozeption – der Fähigkeit, die Position der eigenen Wirbelsäule im Raum wahrzunehmen und zu kontrollieren.

Der kritische Fehler ist der Verlust der neutralen Lendenwirbelsäulenposition während der Anhebephase, oft als „Rundrücken“ oder „Katzenbuckel“ bezeichnet. In diesem Moment verlagert sich die Last von der unterstützenden Muskulatur auf die passiven Strukturen: die Bandscheiben und Bänder. Die Vorderkante der Wirbelkörper wird komprimiert, was den gallertartigen Kern der Bandscheibe nach hinten drückt. Wiederholt sich dieser Vorgang mit hoher Last, kann dies zu einer Bandscheibenvorwölbung oder einem Bandscheibenvorfall führen.

Das Problem ist also selten, dass der Sportler nicht „flexibel genug“ ist, um in die korrekte Startposition zu kommen. Das Problem ist, dass sein Nervensystem im Moment der Anstrengung die neutrale Wirbelsäulenposition „vergisst“ und die Ansteuerung der tiefen Rumpfmuskulatur (Bracing) versagt. Die Lösung liegt daher nicht im Dehnen, sondern in der Kalibrierung der Propriozeption vor dem Heben. Es geht darum, das Gefühl für eine neutrale Wirbelsäule zu schärfen und die Fähigkeit zu trainieren, diese Position unter Last zu halten.

Ihr Plan zur Propriozeptions-Kalibrierung vor dem Kreuzheben

  1. Katze-Kuh Bewegungen: Führen Sie 10 langsame Wiederholungen durch, um die Wirbelsäule bewusst in die maximale Beugung und Streckung zu bringen und das Gefühl für die Beweglichkeit zu schärfen.
  2. Beckenkippungen im Stand: Finden Sie Ihre neutrale Becken- und Lendenwirbelsäulenposition und versuchen Sie, diese für 20 Sekunden bewusst zu halten. Spüren Sie die Anspannung im Rumpf.
  3. Aktivierung der tiefen Bauchmuskulatur: Ziehen Sie den Bauchnabel sanft in Richtung Wirbelsäule, ohne dabei die Luft anzuhalten. Halten Sie diese subtile Spannung, während Sie normal weiteratmen.
  4. Bracing-Übung (Anspannen): Atmen Sie tief in den Bauch ein und spannen Sie die gesamte Rumpfmuskulatur an, als ob Sie einen Schlag erwarten. Bauen Sie so intraabdominalen Druck auf, halten Sie ihn für 5 Sekunden. Führen Sie 5 Wiederholungen durch.
  5. Integration im leichten Satz: Führen Sie den ersten Aufwärmsatz mit sehr leichtem Gewicht durch und konzentrieren Sie sich ausschließlich darauf, das in den vorherigen Schritten etablierte Gefühl für die neutrale Position und das Bracing beizubehalten.

Brauchen Sie wirklich Pronationsstützen oder schwächt das den Fuß?

Die Überpronation, das übermäßige Einwärtsknicken des Fußes beim Laufen, wird häufig als Ursache für eine Vielzahl von Beschwerden, vom Schienbeinkantensyndrom bis hin zu Knieproblemen, verantwortlich gemacht. Die gängigste Lösung im Sportfachhandel ist ein Schuh mit Pronationsstütze. Doch diese pauschale Empfehlung ist aus orthopädischer Sicht kritisch zu hinterfragen, denn sie kann das eigentliche Problem verschlimmern. Der entscheidende Punkt ist die Unterscheidung zwischen einer strukturellen und einer funktionellen Überpronation.

Eine strukturelle Überpronation ist durch die angeborene Anatomie des Fußes bedingt (z.B. ein Plattfuß). In diesem Fall kann eine orthopädische Einlage oder eine Stütze sinnvoll sein, um den Fuß dauerhaft zu unterstützen. Weitaus häufiger ist jedoch die funktionelle Überpronation. Hierbei ist die Fußstruktur an sich normal, aber die Muskulatur – insbesondere die intrinsische Fußmuskulatur und die Hüftstabilisatoren (v.a. Gluteus medius) – ist zu schwach, um das Fußgewölbe unter Belastung aktiv aufrechtzuerhalten. Der Fuß „kollabiert“ also nicht, weil er „falsch gebaut“ ist, sondern weil die stützende Muskulatur versagt.

In diesem Fall wirkt eine Pronationsstütze wie eine passive Krücke. Sie verhindert zwar das Einknicken, nimmt der Muskulatur aber ihre Arbeit ab. Langfristig führt dies zu einer weiteren Abschwächung der Fußmuskulatur – ein Teufelskreis. Die Stütze bekämpft das Symptom (das Einknicken), aber nicht die Ursache (die muskuläre Schwäche). Die nachhaltige Lösung bei funktioneller Überpronation ist daher nicht die passive Stützung, sondern die aktive Kräftigung der verantwortlichen Muskelketten.

Übungen wie die „kurze Fußübung“ (Short Foot Exercise) zur Aktivierung der intrinsischen Fußmuskulatur oder Übungen zur Kräftigung der Hüftabduktoren sind hier der Schlüssel zum Erfolg. Sie befähigen den Körper, das Fußgewölbe aus eigener Kraft zu stabilisieren. Eine Pronationsstütze sollte daher niemals die erste Wahl sein, ohne die Ursache der Überpronation genau zu analysieren.

Strukturelle vs. Funktionelle Überpronation im Überblick
Merkmal Strukturelle Überpronation Funktionelle Überpronation
Ursache Anatomische Fehlstellung Muskuläre Schwäche/Dysbalance
Pronationsstützen sinnvoll? Ja, als dauerhafte Unterstützung Nein, behandelt nur Symptom
Empfohlene Therapie Orthopädische Einlagen Kräftigung Fuß- und Hüftmuskulatur
Langzeitprognose Dauerhafte Hilfsmittel nötig Vollständige Korrektur möglich
Nahaufnahme eines Fußes beim Training der intrinsischen Fußmuskulatur

Wann ist der Schmerz „gut“ und wann ein Warnsignal zum Aufhören?

Der Ratschlag „Hör auf deinen Körper“ ist einer der häufigsten, aber auch einer der nutzlosesten für viele Sportler. Denn was genau sagt der Körper? Ist das Brennen im Muskel ein gutes Zeichen für einen Trainingsreiz oder der Anfang vom Ende? Ist der ziehende Schmerz nur Muskelkater oder eine Sehnenreizung? Die Fähigkeit, verschiedene Schmerzarten zu differenzieren, ist eine der wichtigsten Kompetenzen zur Verletzungsprävention. Pauschal in einen Schmerz hinein zu dehnen, ist dabei oft der falsche Weg.

Wie der Sportmediziner Dr. Markus de Marées im ZDF Ratgeber Gesundheit betont, ist Vorsicht geboten:

Bei Schmerzen sollte man auf keinen Fall einfach dehnen. Manche Beschwerden wie Sehnenentzündungen, Fehlstellungen und Muskelkater können durch Dehnen schlimmer werden. Deshalb gilt: bei Schmerzen erst die Ursache ermitteln.

– Dr. Markus de Marées, ZDF Ratgeber Gesundheit

Aus orthopädischer Sicht lassen sich Schmerzen im Sport grob in verschiedene Kategorien einteilen, die unterschiedliche Reaktionen erfordern. Der „gute“ Schmerz ist meist ein metabolisches Muskelbrennen während der Übung. Es signalisiert eine hohe Intensität und die Ansammlung von Stoffwechselprodukten wie Laktat. Dieser Schmerz ist harmlos und verschwindet sofort nach der Belastung. Ebenfalls meist unbedenklich ist der verzögert einsetzende Muskelkater (DOMS), ein diffuser, dumpfer Schmerz, der 24-48 Stunden nach dem Training auftritt und auf Mikroverletzungen in der Muskulatur hindeutet. Leichte Bewegung ist hier förderlich, intensives Training oder starkes Dehnen der betroffenen Muskeln jedoch nicht.

Die absoluten Warnsignale sind jedoch andere: Ein stechender, punktueller Schmerz, der bei einer bestimmten Bewegung im Gelenk auftritt, deutet auf eine strukturelle Reizung oder Schädigung hin (z.B. Knorpel, Meniskus, Sehne). Hier gilt: SOFORT STOPP! Jede weitere Bewegung unter Schmerz verschlimmert den Schaden. Ebenso alarmierend ist ein ausstrahlender, kribbelnder oder tauber Schmerz. Dies deutet auf eine Beteiligung von Nerven hin und erfordert eine sofortige medizinische Abklärung. Das Dehnen einer gereizten Sehne oder eines komprimierten Nervs kann die Symptomatik massiv verschlimmern.

Schmerz-Klassifikation für Sportler: Wann ist eine Reaktion erforderlich?
Schmerztyp Charakteristik Reaktion
Muskelbrennen Metabolischer Stress während Belastung Normal – weitermachen möglich
DOMS/Muskelkater 24-72h nach Training, diffus Leichte Bewegung okay, kein intensives Training
Stechender Gelenkschmerz Punktuell, bei Bewegung STOPP – sofort aufhören
Nervenschmerz Kribbeln, Taubheit, Ausstrahlung STOPP – medizinische Abklärung

Wann ist ein Rest-Day wichtiger für den Muskelaufbau als das Training selbst?

Im Streben nach schnellen Fortschritten neigen viele Sportler dazu, Ruhetage als verlorene Zeit zu betrachten. Diese Denkweise ignoriert ein fundamentales Prinzip der Trainingsphysiologie: die Superkompensation. Muskelwachstum (Hypertrophie) und Leistungssteigerung finden nicht während des Trainings statt, sondern in der Erholungsphase danach. Das Training selbst setzt nur den Reiz – es verursacht Mikrotraumata in den Muskelfasern und entleert die Energiespeicher. Die eigentliche Anpassung, also die Reparatur und der Aufbau stärkerer Muskelfasern, geschieht in der Ruhe.

Ein „Rest-Day“ ist also kein passiver, unproduktiver Tag, sondern ein aktiver Teil des Trainingsprozesses. Wird dem Körper diese notwendige Regenerationszeit verwehrt, indem zu früh wieder ein intensiver Reiz gesetzt wird, kommt es nicht zur Superkompensation, sondern zu einem Leistungsabfall. Langfristig führt dies ins Übertraining – ein Zustand, der durch chronische Müdigkeit, Leistungsstagnation, erhöhte Infektanfälligkeit und ein deutlich gesteigertes Verletzungsrisiko gekennzeichnet ist. Ein überlastetes neuromuskuläres System kann Bewegungen nicht mehr sauber koordinieren, was zu technischen Fehlern und Verletzungen führt.

Die Entscheidung, wann ein Ruhetag nötig ist, sollte nicht nur auf dem subjektiven Gefühl basieren. Es gibt objektive Indikatoren, die auf einen erhöhten Erholungsbedarf hindeuten. Die Überwachung dieser Parameter kann helfen, Übertraining frühzeitig zu erkennen und das Training intelligent zu steuern.

  • Morgendliche Ruheherzfrequenz: Ein Anstieg der morgendlichen Herzfrequenz (gemessen direkt nach dem Aufwachen) um mehr als 5-7 Schläge pro Minute über dem persönlichen Durchschnitt ist ein klares Zeichen für physiologischen Stress und unzureichende Erholung.
  • Herzfrequenzvariabilität (HRV): Ein signifikant niedrigerer HRV-Wert als der eigene Durchschnittswert signalisiert eine Dominanz des sympathischen (aktivierenden) Nervensystems und damit einen Mangel an Erholung.
  • Subjektive Müdigkeit und Belastungswahrnehmung (RPE): Wenn sich alltägliche Aktivitäten oder leichte Trainingseinheiten ungewöhnlich anstrengend anfühlen (hoher RPE-Wert), ist das ein Indikator für systemische Ermüdung.
  • Schlafqualität: Unruhiger Schlaf oder häufiges Aufwachen trotz ausreichender Schlafdauer kann auf ein überlastetes Nervensystem hindeuten.
  • Motivationsverlust: Eine plötzliche, unerklärliche Unlust auf das Training ist oft ein psychologisches Symptom des beginnenden Übertrainings.

Wanderschuh oder Trailrunner: Was verhindert Blasen auf Asphalt und Schotter besser?

Blasen an den Füßen können eine Wanderung oder einen langen Lauf zur Qual machen. Die Wahl des richtigen Schuhwerks ist entscheidend, aber die Antwort auf die Frage „Wanderschuh oder Trailrunner?“ hängt maßgeblich vom Untergrund und der individuellen Biomechanik ab. Die Ursache für Blasen ist eine Kombination aus Reibung, Feuchtigkeit und Druck. Der Schuh, der diese Faktoren am besten minimiert, ist der Gewinner.

Auf überwiegend festem Untergrund wie Asphalt oder gut befestigten Wegen ist ein leichter, flexibler Trailrunning-Schuh oft die bessere Wahl. Er ermöglicht ein natürlicheres Abrollverhalten des Fußes und ist atmungsaktiver, was die Feuchtigkeitsbildung reduziert. Ein steifer, schwerer Wanderschuh kann hier durch seine geringere Flexibilität zu mehr Reibung führen, da der Fuß bei jedem Schritt gegen den starren Schuh „arbeitet“. Auf losem Schotter, unebenen Pfaden oder im alpinen Gelände spielt der klassische Wanderschuh seine Stärken aus. Sein fester Schaft schützt den Knöchel vor dem Umknicken, und die steifere Sohle schützt die Fußsohle vor spitzen Steinen. Hier verhindert die Stabilität des Schuhs übermäßige Bewegung des Fußes im Schuh und somit Reibung.

Unabhängig vom Schuhtyp ist jedoch der Fersenhalt der kritischste Faktor. Wenn die Ferse im Schuh rutscht („Fersenschlupf“), entsteht bei jedem einzelnen Schritt Reibung – der Hauptauslöser für Blasen an der Ferse. Viele Sportler geben dem Schuh die Schuld, dabei kann das Problem oft mit einer einfachen, aber extrem effektiven Schnürtechnik gelöst werden: der Fersenhalt- oder Marathon-Schnürung. Diese Technik nutzt die obersten, oft ignorierten zusätzlichen Ösen des Schuhs, um die Ferse fest in der Fersenkappe zu verankern.

So funktioniert die Heel-Lock-Schnürung:

  1. Schnüren Sie den Schuh wie gewohnt bis zu den vorletzten Ösen.
  2. Führen Sie den Schnürsenkel auf jeder Seite von außen nach innen durch die jeweils oberste Öse derselben Seite, sodass eine kleine Schlaufe entsteht.
  3. Kreuzen Sie die Schnürsenkel und führen Sie jedes Ende durch die gegenüberliegende Schlaufe.
  4. Ziehen Sie die Schnürsenkelenden nach unten und hinten, um die Schlaufen festzuziehen und die Ferse in den Schuh zu „verriegeln“.
  5. Binden Sie die Schnürsenkel wie gewohnt zu einer Schleife. Diese Technik kann die Reibung an der Ferse signifikant reduzieren.

Das Wichtigste in Kürze

  • Aktivierung vor Dehnung: Spezifische Gelenkvorbereitung (CARs) ist für die Verletzungsprävention effektiver als generisches statisches Dehnen.
  • Schmerz ist ein Signal: Lernen Sie, zwischen harmlosem Muskelbrennen und strukturellen Warnsignalen (stechender Schmerz) zu unterscheiden. Ignorieren Sie niemals Warnsignale.
  • Regeneration ist Training: Muskelaufbau und Anpassung finden in den Ruhetagen statt. Intelligente Pausenplanung ist entscheidend, um Übertraining und Verletzungen zu vermeiden.

Zone 2 Training: Warum müssen Sie langsamer laufen, um schneller und gesünder zu werden?

Der Instinkt vieler Sportler ist, immer an der Belastungsgrenze zu trainieren – „no pain, no gain“. Doch für den Aufbau einer soliden Ausdauergrundlage und die langfristige Gesundheit ist genau das Gegenteil der Fall. Das Training in der sogenannten Zone 2, also bei einer niedrigen bis moderaten Herzfrequenz, ist der Schlüssel, um die aerobe Kapazität des Körpers fundamental zu verbessern. Es bedeutet, bewusst langsamer zu laufen oder zu trainieren, um langfristig schneller und widerstandsfähiger zu werden.

Physiologisch gesehen ist Zone 2 der Intensitätsbereich, in dem der Körper primär Fett als Energiequelle nutzt und dies unter maximaler Effizienz der Mitochondrien tut. Mitochondrien sind die „Kraftwerke“ unserer Zellen. Regelmäßiges Training in Zone 2 führt zu einer Erhöhung ihrer Anzahl und Effizienz. Dies verbessert die Fähigkeit des Körpers, Sauerstoff zu nutzen und Laktat (ein Nebenprodukt des intensiveren Stoffwechsels) abzubauen und als Energiequelle wiederzuverwenden. Eine gut ausgebaute aerobe Basis erlaubt es Ihnen, bei höheren Geschwindigkeiten länger zu laufen, bevor Sie in den anaeroben Bereich kommen und „übersäuern“. Gleichzeitig wird das Herz-Kreislauf-System gestärkt, ohne den Körper übermäßigem Stress auszusetzen.

Der verbreitete Fehler ist, die meisten Ausdauereinheiten in einem „grauen“ Bereich (Zone 3/4) zu absolvieren: zu schnell für eine optimale aerobe Anpassung, aber zu langsam für gezielte anaerobe Reize. Man fühlt sich erschöpft, aber der Trainingseffekt ist suboptimal. Die Herausforderung besteht darin, die persönliche Zone 2 zu finden und diszipliniert darin zu bleiben. Hierzu gibt es verschiedene Methoden.

Methoden zur Bestimmung der Zone 2: Ein Vergleich
Methode Berechnung/Test Vorteile Nachteile
Maffetone-Formel 180 minus Lebensalter (± Anpassungen) Einfach, sofort anwendbar, keine Ausrüstung nötig Sehr pauschal, kann je nach Fitnesslevel stark abweichen
Sprechtest Sie können sich während der Belastung noch flüssig in ganzen Sätzen unterhalten Intuitiv, keine Technik nötig, passt sich der Tagesform an Subjektiv, erfordert etwas Erfahrung
Laktat-Leistungstest Labormessung bei ca. 2 mmol/l Laktat im Blut Wissenschaftlich präzise und individuell exakt Aufwendig, kostenintensiv, muss regelmäßig wiederholt werden

Während viele Sportler sich auf intensives Dehnen zur Regeneration fokussieren, wird die Bedeutung von niedrig-intensivem Training oft übersehen. Dabei ist es gerade diese Form der aktiven Erholung, die die zellulären Grundlagen für zukünftige Spitzenleistungen legt. Übrigens gilt auch hier: Die Art des Dehnens beeinflusst den Muskeltonus. Wie sportwissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, wird beim längeren Dehnen ab 10-15 Sekunden der Muskeltonus herabgesetzt, was nach einer intensiven Einheit sinnvoll sein kann, aber nicht mit der aktiven, aufbauenden Wirkung des Zone-2-Trainings verwechselt werden sollte.

Die bewusste Verlangsamung ist ein strategisches Instrument für langfristigen Erfolg. Um Ihre aerobe Basis effektiv aufzubauen, ist die Integration von gezieltem Zone-2-Training in Ihren Plan unerlässlich.

Um diese orthopädischen Prinzipien erfolgreich in Ihr Training zu integrieren, beginnen Sie mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme Ihrer aktuellen Routine. Ersetzen Sie passive Routinen durch aktive Vorbereitung und lernen Sie, die Signale Ihres Körpers als wertvolle Informationen statt als Störfaktoren zu betrachten. So legen Sie den Grundstein für eine lange, gesunde und erfolgreiche sportliche Laufbahn.

Geschrieben von Lars Nielsen, Diplom-Sportwissenschaftler und Physiotherapeut mit Fokus auf funktionelles Training und Rehabilitationsmedizin. Betreut seit 12 Jahren Leistungssportler und ambitionierte Amateure bei der Leistungssteigerung.