Veröffentlicht am März 15, 2024

Der Schlüssel zu einer kooperativen Lernatmosphäre liegt nicht in strengeren Regeln, sondern im bewussten Aufbau psychologischer Sicherheit.

  • Diverse Teams lösen Probleme effektiver, da sie kognitive Vielfalt fördern und Gruppendenken verhindern.
  • Gezielte Strukturen wie feste Rollen und ritualisiertes Feedback reduzieren Unsicherheit und fördern das Engagement.

Empfehlung: Konzentrieren Sie sich darauf, Strukturen zu schaffen, die Vertrauen ermöglichen, anstatt nur Leistung zu fordern. Der Rest folgt oft von selbst.

Jeder Dozent kennt diese Situation: Eine Gruppenarbeit wird angekündigt, und sofort bilden sich unsichtbare Fronten. Ein paar hochmotivierte Teilnehmer übernehmen die Führung, während andere sich zurücklehnen oder innerlich abschalten. Am Ende wird ein Ergebnis präsentiert, aber hat wirklich ein Lernprozess im Team stattgefunden? Oft ist das Resultat eher ein Kompromiss aus Misstrauen, ungleichen Beiträgen und der Angst, für einen Fehler oder eine „dumme“ Frage kritisiert zu werden. Dieses Phänomen, oft als Ellbogenmentalität bezeichnet, ist ein tief verwurzeltes Problem in vielen Lernumgebungen.

Die gängigen Ratschläge sind schnell zur Hand: Man solle klare Ziele definieren, die Kommunikation fördern oder die Aufgaben gerecht verteilen. Doch diese Ansätze kratzen nur an der Oberfläche. Sie behandeln die Symptome, nicht aber die Ursache, die oft viel tiefer liegt. Die Wurzel des Problems ist selten ein Mangel an gutem Willen, sondern vielmehr das Fehlen eines fundamentalen Gefühls: der psychologischen Sicherheit. Ohne die Gewissheit, sich ohne Furcht vor negativen Konsequenzen äußern zu können, schalten Menschen in einen Schutzmodus. Kreativität und echte Zusammenarbeit weichen einer vorsichtigen Zurückhaltung.

Doch was, wenn der wahre Hebel zur Transformation nicht in noch mehr Regeln, sondern in einer durchdachten psychologischen Architektur liegt? Dieser Artikel beleuchtet aus der Perspektive eines pädagogischen Psychologen die Mechanismen, die hinter erfolgreicher Kooperation stecken. Wir werden erforschen, warum Feedback mehr als nur Kritik sein muss, wie klare Rollen kognitive Last reduzieren und warum wir am meisten lernen, wenn wir uns trauen, unser Wissen mit anderen zu teilen. Es ist ein Plädoyer dafür, Lernräume zu gestalten, in denen das Miteinander nicht nur eine Methode, sondern das Fundament des Erfolgs ist.

Um Ihnen eine klare Struktur für diesen tiefen Einblick in die Teamdynamik zu geben, finden Sie nachfolgend eine Übersicht der Themen, die wir behandeln werden. Jeder Abschnitt baut auf dem vorherigen auf und liefert Ihnen psychologisch fundierte und praxisnahe Werkzeuge für Ihre Lehrtätigkeit.

Wie kritisieren Sie die Arbeit eines Kollegen, ohne ihn zu verletzen?

Feedback ist das Schmiermittel jeder Kooperation, doch zugleich eine der größten Quellen für zwischenmenschliche Konflikte. Die Angst vor Kritik lähmt, während ungeschickt geäußerte Anmerkungen tiefe Wunden reißen können. Der Kern des Problems liegt in einer falschen Grundannahme: dass Feedback eine Bewertung der Person sei. Aus psychologischer Sicht ist konstruktives Feedback jedoch eine gemeinsame Analyse einer Situation, um ein zukünftiges, besseres Ergebnis zu erzielen. Es geht nicht um vergangene Fehler, sondern um zukünftige Lösungen.

In unserer komplexen, sich schnell verändernden Welt ist diese Fähigkeit wichtiger denn je. Die sogenannte VUCA-Umgebung (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) erfordert schnelle Anpassungen und gemeinsames Lernen. Eine Kultur, in der Feedback als Angriff empfunden wird, kann hier nicht bestehen. Der Fokus muss sich von einer „Feedback-Kritik“ zu einer „Feedforward-Allianz“ verschieben. Hierbei wird nicht gefragt „Was war falsch?“, sondern „Wie können wir es beim nächsten Mal noch besser machen?“.

Ein effektiver Weg, dies zu erreichen, ist die Etablierung eines klaren, auf Vertrauen basierenden Prozesses. Anstatt Feedback spontan zu geben, bitten Sie um Erlaubnis: „Darf ich dir meine Beobachtungen zu X mitteilen?“ Dieser kleine Schritt signalisiert Respekt und gibt dem Empfänger die Kontrolle zurück. Eine bewährte Methode ist das SBI-Modell: Beschreiben Sie die Situation (S), das konkrete Verhalten (B – Behavior) und dessen Auswirkung (I – Impact). Diese faktische Beschreibung entpersonalisiert die Kritik und macht sie zu einem beobachtbaren Ereignis, über das man sachlich sprechen kann. Am Ende steht immer eine gemeinsame Vereinbarung, die den Blick nach vorne richtet und die Zusammenarbeit stärkt, statt sie zu belasten.

Wer ist der Zeitwächter: Warum braucht jede Kleingruppe klare Ämter?

Die Vorstellung von selbstorganisierten Teams klingt oft nach Freiheit und Kreativität. In der Praxis führt ein Mangel an Struktur jedoch häufig zu Chaos, Frustration und Ineffizienz. Aus psychologischer Sicht erfüllen klar definierte Rollen eine entscheidende Funktion: Sie reduzieren die kognitive Belastung des Einzelnen. Wenn jeder weiß, wofür er verantwortlich ist – und wofür nicht –, muss nicht bei jeder Aufgabe aufs Neue verhandelt werden. Dies setzt mentale Kapazitäten frei, die stattdessen für die eigentliche Problemlösung genutzt werden können. Rollen sind somit keine Fesseln, sondern ein Geländer, das dem Team Halt und Orientierung gibt.

Diese „strukturelle Kopplung“ schafft ein System, in dem Aufgaben nicht zufällig verteilt, sondern gezielt gesteuert werden. Die klassische Rolle des „Zeitwächters“ oder des „Protokollanten“ sind dabei nur der Anfang. In modernen, agilen Lern- und Arbeitsumgebungen haben sich diese Rollen weiterentwickelt, um den neuen Anforderungen der digitalen Zusammenarbeit gerecht zu werden. Ein „Digital Scribe“ dokumentiert Ergebnisse live in einem Kollaborationstool, während ein „Channel-Wächter“ dafür sorgt, dass die Diskussion in digitalen Kanälen wie Slack oder Teams fokussiert bleibt.

Eine besonders wertvolle, wenn auch oft übersehene Rolle, ist die des „Advocatus Diaboli“. Diese Person hat die explizite Aufgabe, systematisch Gegenargumente zu finden und etablierte Meinungen infrage zu stellen. Wenn diese Rolle rotiert, wird sie nicht an eine bestimmte „skeptische“ Person gebunden, sondern wird zu einer Funktion des Systems. Dies ist ein extrem wirksames Mittel gegen Gruppendenken und fördert eine Kultur, in der Widerspruch nicht als Störung, sondern als wertvoller Beitrag zur Qualitätssicherung gesehen wird. Die folgende Übersicht, basierend auf einer Analyse moderner Team-Tools, zeigt, wie sich klassische Rollen weiterentwickeln.

Klassische vs. Moderne Teamrollen im Vergleich
Klassische Rolle Moderne Erweiterung Hauptaufgabe
Zeitwächter Agile Timekeeper Timeboxing, Sprint-Management
Protokollant Digital Scribe Live-Dokumentation in Kollaborationstools
Moderator Channel-Wächter Fokus in Slack/Teams sicherstellen
Advocatus Diaboli (rotierend) Gruppendenken verhindern

Durch die bewusste Zuweisung solcher Rollen wird die Verantwortung für den Gruppenprozess auf mehrere Schultern verteilt und die Resilienz des gesamten Teams gestärkt.

Warum lösen gemischte Teams komplexe Aufgaben schneller als homogene?

Homogene Gruppen fühlen sich oft komfortabler an. Die Kommunikation ist reibungslos, Entscheidungen werden schnell getroffen, und es herrscht Einigkeit. Doch dieser scheinbare Vorteil ist bei der Lösung komplexer Probleme eine Falle. Der Grund dafür ist ein psychologisches Phänomen namens Gruppendenken (Groupthink). In homogenen Teams neigen die Mitglieder dazu, sich gegenseitig in ihren Annahmen zu bestätigen und alternative Sichtweisen unbewusst auszublenden. Das Ergebnis sind oft schnelle, aber suboptimale Lösungen.

Diverse Teams hingegen sind eine Art kognitives Fitnessstudio. Unterschiedliche Hintergründe, Fachkenntnisse, Erfahrungen und Denkstile führen zu einer breiteren Palette von Lösungsansätzen. Diese Vielfalt erzeugt zwar zunächst Reibung und verlangsamt den Entscheidungsprozess, aber genau diese Reibung ist der Motor für Innovation. Wie Experten betonen, ist Innovation fast immer ein kooperativer Prozess, der auf der Kombination unterschiedlicher Wissensdomänen beruht. Ein Team aus lauter Ingenieuren wird ein technisches Problem vielleicht elegant lösen, aber erst die Perspektive eines Designers, eines Vertrieblers oder eines Endkunden deckt die blinden Flecken auf und führt zu einer wirklich marktfähigen Lösung.

Diese kognitive Vielfalt ist nicht nur ein Garant für bessere Ergebnisse, sondern auch ein massiver Motivationsfaktor. Die Möglichkeit, die eigene, einzigartige Perspektive einbringen zu können, steigert das Gefühl der Wertschätzung und des Engagements. Dies ist keine reine Vermutung, sondern lässt sich belegen: Laut einer Studie der TU München aus 2016 glauben 80 % der Mitarbeiter, dass mit stärkerer Teilhabe an firmenrelevanten Entscheidungen die Produktivität steigen würde. Diverse Teams bieten strukturell mehr Anknüpfungspunkte für eine solche Teilhabe, da mehr unterschiedliche Kompetenzen zur Verfügung stehen, die eingebracht werden können. Sie sind somit nicht nur „bunter“, sondern schlichtweg intelligenter und leistungsfähiger, wenn es darum geht, die Herausforderungen von heute zu meistern.

Was tun, wenn ein Teilnehmer die Gruppenarbeit boykottiert?

Wenn ein Mitglied die Zusammenarbeit verweigert, ist die erste Reaktion oft Ärger und die Zuschreibung von Schuld: „Er ist faul“, „Sie ist nicht teamfähig“. Aus psychologischer Sicht ist ein solches Boykottverhalten jedoch selten eine bewusste Entscheidung gegen das Team, sondern vielmehr ein Symptom für ein tieferliegendes, unerfülltes Bedürfnis. Es kann die Angst vor Kontrollverlust sein, ein Wertekonflikt mit dem Vorgehen der Gruppe oder das Gefühl, nicht gesehen und anerkannt zu werden. Das Verhalten ist eine oft ungeschickte Strategie, um sich selbst zu schützen.

Ein klassisches Modell, um diese Dynamik zu verstehen, ist das Gefangenendilemma aus der Spieltheorie. Zwei Komplizen werden getrennt verhört. Verraten sie sich gegenseitig, erhalten beide eine hohe Strafe. Schweigen sie beide (kooperieren sie), erhalten sie eine milde Strafe. Verrät nur einer den anderen, geht er straffrei aus, während der andere die Höchststrafe bekommt. Obwohl die Kooperation (Schweigen) für beide die beste Gesamtstrategie wäre, ist der Verrat aus rein egoistischer und misstrauischer Sicht oft die rationalste Wahl. Ähnlich verhält es sich in Teams: Wenn das Vertrauen fehlt, dass die anderen ebenfalls ihren Teil beitragen, erscheint die individuelle Verweigerung als sicherster Weg, nicht ausgenutzt zu werden.

Die Lösung liegt daher nicht darin, den Druck auf den „Boykotteur“ zu erhöhen, sondern das System zu verändern, das dieses Verhalten begünstigt. Anstatt Vorwürfe zu machen, sollte ein Gespräch auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) geführt werden, das auf die Beobachtung des Verhaltens und die dahinterliegenden (unerfüllten) Bedürfnisse zielt. Oft hilft es bereits, Wahlmöglichkeiten anzubieten, um das Gefühl der Autonomie wiederherzustellen. Statt zu fragen „Warum machst du nicht mit?“, fragen Sie „Was brauchst du, um dich einbringen zu können?“. Dieser Perspektivwechsel von der Schuldfrage zur Bedürfnisanalyse ist der Schlüssel, um destruktive Dynamiken aufzubrechen und den Weg für echte Kooperation freizumachen.

Handlungsplan: Umgang mit Boykottverhalten in Gruppen

  1. Motivation analysieren: Handelt es sich um Angst, einen Wertekonflikt oder mangelnde Anerkennung? Versuchen Sie, die Perspektive der Person zu verstehen, bevor Sie handeln.
  2. System betrachten: Welche strukturellen Faktoren im Team oder in der Aufgabenstellung begünstigen das Verhalten? Liegt es an unklaren Zielen oder fehlenden Rollen?
  3. GFK-Gespräch führen: Sprechen Sie in einem 4-Augen-Gespräch über Beobachtungen (nicht Bewertungen) und fragen Sie aktiv nach den unerfüllten Bedürfnissen der Person.
  4. Wahlmöglichkeiten anbieten: Geben Sie der Person Autonomie zurück, indem Sie ihr verschiedene Wege zur Beteiligung oder unterschiedliche Aufgaben zur Auswahl stellen.
  5. Kleine Kooperationsziele vereinbaren: Definieren Sie gemeinsam einen kleinen, konkreten und erreichbaren ersten Schritt zur Wiedereingliederung in den Gruppenprozess.

Warum lernen Sie am meisten, wenn Sie den Stoff einem anderen erklären müssen?

Es ist eine der ältesten und zugleich wirkungsvollsten Lernmethoden: Wer einen komplexen Sachverhalt einer anderen Person verständlich machen muss, verankert das Wissen am tiefsten im eigenen Gehirn. Dieses Phänomen ist in der Lernpsychologie als der Protégé-Effekt bekannt. Der Grund für seine Wirksamkeit ist vielschichtig. Beim Versuch, etwas zu erklären, werden wir gezwungen, unser eigenes, oft ungeordnetes Wissen zu strukturieren, logische Verbindungen herzustellen und die Kernideen von unwichtigen Details zu trennen.

Nahaufnahme von Händen beim gemeinsamen Puzzlen als Metapher für Peer-Learning

Mehr noch: Der Akt des Lehrens deckt unbarmherzig die eigenen Wissenslücken auf. In dem Moment, in dem wir eine Rückfrage nicht beantworten können oder merken, dass unsere Analogie hinkt, wird uns bewusst, wo wir selbst noch tiefer graben müssen. Dieser Prozess der Metakognition – das Nachdenken über das eigene Denken und Wissen – ist eine der höchsten Stufen des Lernens. Methoden wie die Jigsaw-Methode (Gruppenpuzzle), bei der Teilnehmer erst zu Experten für einen Teilbereich werden und diesen dann den anderen beibringen müssen, nutzen diesen Effekt systematisch.

Doch es gibt noch eine tiefere, neurobiologische Ebene. Kooperation wird vom Gehirn belohnt. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Kooperationsförderung zeigen, dass das Belohnungszentrum im Gehirn bei menschlicher Zusammenarbeit aktiv wird – ein Effekt, der in reinen Konkurrenzsituationen ausbleibt. Das bedeutet, der Akt des gemeinsamen Lernens und Lehrens fühlt sich für uns intrinsisch gut und befriedigend an. Es ist ein fundamental menschliches Bedürfnis, Wissen zu teilen und gemeinsam zu wachsen. Eine Lernkultur, die auf Peer-to-Peer-Learning und dem Protégé-Effekt aufbaut, nutzt also nicht nur eine effiziente Lernstrategie, sondern knüpft direkt an die sozialen und biologischen Grundlagen unserer Spezies an.

Offene vs. geschlossene Fragen: Wie bringen Sie Schweiger zum Reden?

Die Unterscheidung zwischen offenen (W-Fragen) und geschlossenen (Ja/Nein-Fragen) Fragen gehört zum Grundwissen jeder Moderation. Doch wenn Teilnehmer hartnäckig schweigen, liegt das Problem selten in der Frageform. Die wahre Ursache für Schweigen ist fast nie ein Mangel an Ideen, sondern die Angst vor negativer Bewertung. Die erste und wichtigste Maßnahme ist daher nicht eine bessere Fragetechnik, sondern das aktive Schaffen von psychologischer Sicherheit. Erst wenn die Teilnehmer spüren, dass jeder Beitrag willkommen ist und Fehler als Lernchancen gesehen werden, werden sie sich öffnen.

Sind diese Rahmenbedingungen geschaffen, können fortgeschrittene Fragetechniken ihre volle Wirkung entfalten. Anstelle der einfachen offenen Frage „Hat jemand eine Idee?“ wirken hypothetische Fragen oft Wunder: „Stellen Sie sich vor, wir hätten unbegrenzte Ressourcen – was würden wir dann tun?“ Solche Fragen lösen den Geist von den Fesseln der Realität und laden zum kreativen Spinnen ein. Ebenso wirkungsvoll sind zirkuläre Fragen wie „Was glauben Sie, denkt Kollege X zu diesem Thema?“, da sie dazu anregen, die Perspektive zu wechseln, ohne die eigene Meinung sofort preisgeben zu müssen.

Für besonders introvertierte oder zurückhaltende Teilnehmer sind mündliche Diskussionen oft eine Hürde. Hier bieten sich alternative, asynchrone Methoden an. Ein schriftliches Brainstorming auf einem digitalen Whiteboard oder in einem geteilten Dokument erlaubt es jedem, seine Gedanken in seinem eigenen Tempo und ohne Unterbrechung zu formulieren. Strukturierte Sprechrunden wie die „1-2-4-All“-Methode, bei der Gedanken erst allein, dann zu zweit, dann in einer Vierergruppe und schließlich im Plenum geteilt werden, garantieren, dass jede Stimme gehört wird. Wie die Verhaltensforscherin Gabriele Haug-Schnabel beobachtet hat, ist Kooperation ein natürlicher Zustand, den wir schon als Kinder leben:

Kinder kooperieren aus reiner Lust, sie wissen, wer was besonders gut kann, sie lernen viel voneinander, ahmen einander nach, bringen neue Ideen ins Geschehen ein, verändern einen Spielverlauf, helfen sich gegenseitig, damit das Spiel nicht gestört wird und ein allen Freude machendes (Bewegungs)-Spiel weitergehen kann und noch lange nicht abgebrochen wird.

– Gabriele Haug-Schnabel, Fachjournal zu Kooperation und Konkurrenz

Unsere Aufgabe als Lehrende ist es, die künstlichen Barrieren abzubauen, die diesen natürlichen Kooperationsdrang im Erwachsenenalter blockieren.

Stammtisch oder Online-Forum: Wo finden Sie wertvollen Austausch ohne Angeber?

Der informelle Austausch unter Kollegen ist für das berufliche Wachstum unerlässlich. Doch die klassischen Formate haben ihre Tücken. Der Stammtisch kann schnell zu einer geschlossenen Gesellschaft werden, in der immer dieselben Personen den Ton angeben. Anonyme Online-Foren hingegen leiden oft unter einem schlechten Signal-Rausch-Verhältnis, in dem Selbstdarsteller und Trolle den konstruktiven Dialog ersticken. Beide Umgebungen fördern selten eine Kultur der Verletzlichkeit, in der man offen über Fehler und Herausforderungen sprechen kann.

Es gibt jedoch einen dritten Weg, der die Vorteile beider Welten – persönliche Beziehung und skalierbaren Austausch – zu verbinden sucht: die „Community of Practice“ (CoP). Eine CoP ist eine Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft oder ein gemeinsames Interesse teilen und durch regelmäßige Interaktion voneinander lernen. Im Gegensatz zum Stammtisch ist sie thematisch fokussiert, und im Gegensatz zum anonymen Forum basiert sie auf Vertrauen und klaren Regeln. Das zugrundeliegende Prinzip ist hier oft „Coopetition“ – ein gesundes Gleichgewicht aus Kooperation mit Partnern und Wettbewerb am Markt.

Eine erfolgreiche Community of Practice zeichnet sich durch eine spezifische psychologische Architektur aus, die wertvollen Austausch fördert und Angeberei minimiert. Die entscheidenden Kriterien für eine solche Umgebung sind:

  • Starke Moderation: Klare Community-Regeln, die konsequent durchgesetzt werden, schaffen einen sicheren Rahmen.
  • Reputation durch Qualität: Ansehen wird nicht durch die Anzahl der Beiträge, sondern durch deren Qualität und Hilfsbereitschaft erworben.
  • Kultur der Vulnerabilität: Das Teilen von Fehlern und ungelösten Problemen wird aktiv gefördert und als Lernchance für alle gesehen.
  • Vertraulichkeit: Klare Regeln (z. B. die Chatham House Rule) ermöglichen den offenen Austausch über sensible Themen.
  • Fokus auf Fallbesprechungen: Der Schwerpunkt liegt auf der gemeinsamen Lösung konkreter Probleme statt auf der Präsentation von Erfolgsgeschichten.

Solche Gemeinschaften, ob physisch oder digital, bieten den Nährboden für tiefgreifendes, kooperatives Lernen, das weit über den oberflächlichen Austausch hinausgeht.

Das Wichtigste in Kürze

  • Psychologische Sicherheit ist nicht „nett zu haben“, sondern die absolute Grundlage für jede Form von risikobereiter Kooperation und Innovation.
  • Strukturierte Prozesse wie klare Rollenverteilung und ritualisiertes Feedback sind keine Bürokratie, sondern Werkzeuge zur Reduzierung von Unsicherheit und Konfliktpotenzial.
  • Der Protégé-Effekt (Lernen durch Lehren) ist eine der wirksamsten Lernmethoden, da er kognitive Neustrukturierung erzwingt und an das neuronale Belohnungssystem andockt.

MBA oder Fachwirt: Welcher Titel bringt Ihnen real mehr Gehalt ein?

Die Frage, welche Weiterbildung den größten finanziellen Ertrag verspricht, ist legitim, aber möglicherweise falsch gestellt. In der heutigen Arbeitswelt ist nicht mehr der Titel allein entscheidend, sondern die dahinterliegenden, in der Praxis anwendbaren Kompetenzen. Und eine der gefragtesten Meta-Kompetenzen ist die Fähigkeit zur Kooperation. Wer nachweislich in der Lage ist, diverse Teams zu führen, Konflikte konstruktiv zu lösen und Wissen im Netzwerk zu teilen, schafft einen Wert, der sich zwangsläufig auch im Gehalt widerspiegelt.

Betrachtet man MBA-Programme und Fachwirt-Lehrgänge unter diesem Gesichtspunkt, offenbaren sich unterschiedliche Stärken im Training von Kooperationsfähigkeiten. Der Wert eines MBA liegt oft weniger im vermittelten Buchwissen als im intensiven Training der Zusammenarbeit innerhalb hochdiverser, internationaler Gruppen. In unzähligen Case Studies und Gruppenarbeiten werden die Teilnehmer gezwungen, ihre Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeiten unter hohem Druck zu schärfen. Der Fachwirt hingegen punktet durch seine Praxisnähe und die oft homogenere Gruppe aus derselben Branche. Hier findet ein intensiver Austausch über sehr spezifische, reale Herausforderungen statt, und das aufgebaute Netzwerk ist oft regional und fachlich tief verankert.

Die folgende Gegenüberstellung analysiert nicht den finanziellen ROI, sondern das jeweilige Potenzial zur Entwicklung von Kooperationskompetenzen:

MBA vs. Fachwirt: Kooperationskompetenzen im Vergleich
Kriterium MBA Fachwirt
Netzwerk-Potenzial International, branchenübergreifend Regional, branchenspezifisch
Kollaborations-Training Intensive Gruppenarbeiten, Case Studies Praxisnahe Projektarbeiten
Peer-to-Peer Learning Diverse Backgrounds, Executive Exchange Homogenere Gruppe, Praxisaustausch
T-Shaped Professional Entwicklung Breite Managementkompetenzen + Spezialisierung Tiefe Fachexpertise + Führungsgrundlagen

Letztendlich ist die entscheidende Frage nicht, welcher Titel auf dem Papier mehr wert ist, sondern welche Lernumgebung die eigene Kooperationsfähigkeit am besten fördert. Denn wie ein Fachmagazin treffend bemerkt, hat sich die Definition von Karrierefähigkeit verschoben:

Konkurrenz ist natürlich ein Karrierefaktor. Doch wer dabei die Kooperation vergisst, der wird in vielen Unternehmen keine Karriere mehr machen, weil er sich als führungsunfähig erwiesen hat.

– t3n Redaktion, t3n – Kooperation statt Konkurrenz

Die Wahl der richtigen Weiterbildung ist somit auch eine Investition in Ihre soziale Kompetenz. Denken Sie darüber nach, welche Lernform Ihre Kooperationsfähigkeiten am besten entwickelt.

Um diese Prinzipien in Ihrer eigenen Lehre zu verankern, beginnen Sie damit, eine einzige der hier vorgestellten Strukturen – wie die Feedback-Allianz oder feste Rollen – in Ihrem nächsten Kurs bewusst zu implementieren. Beobachten Sie die Veränderung und bauen Sie schrittweise darauf auf.

Geschrieben von Markus Ebersbach, Wirtschaftspsychologe und Executive Coach mit über 15 Jahren Erfahrung in der Optimierung von Arbeitsabläufen und Stressmanagement. Spezialisiert auf kognitive Leistungsfähigkeit und Lernstrategien für Führungskräfte.